Allgemeine Erklärung der Menschenpflichten (Quelle: Auszug aus dem Buch von Helmut Schmidt: "Auf der Suche nach einer öffentlichen Moral"
erschienen 1998 in der Deutschen Verlagsanstalt)
Fundamentale Prinzipien für Humanität
Artikel 1
Jede Person, gleich welchen Geschlechtes, welcher ethnischen Herkunft, welchen sozialen Status, welcher politischen Überzeugung, welcher Sprache, welchen Alters, welcher Nationalität oder Religion, hat die Pflicht, alle Menschen menschlich zu behandeln.
Artikel 2
Keine Person soll unmenschliches Verhalten, welcher Art auch immer, unterstützen, vielmehr haben alle Menschen die Pflicht, sich für die Würde und die Selbstachtung aller anderen Menschen einzusetzen.
Artikel 3
Keine Person, keine Gruppe oder Organisation, kein Staat, keine Armee oder Polizeit steht jenseits von Gut und Böse; sie alle unterstehen moralischen Masstäben. Jeder Mensch hat die Pflicht, unter allen Umständes Gutes zu fördern und Böses zu vermeiden.
Artikel 4
Alle Menschen, begabt mit Vernunft und Gewissen, müssen im Geist der Solidarität Verantwortung übernehmen gegenüber jedem und allen, Familien und Gemeinschaften, Rassen, Nationen und Religionen: Was du nicht willst, das man dir tu, das füg auch keinem anderen zu.
Gewaltlosigkeit und Ehrfurcht vor dem Leben
Artikel 5
Jede Person hat die Pflicht, Leben zu achten. Niemand hat das Recht, eine andere menschliche Person zu verletzten, zu foltern oder zu töten. Dies schließt das Recht auf gerechtfertigte Selbstverteidigung von Individuen und Gemeinschaft nicht aus.
Artikel 6
Streitigkeiten zwischen Staaten, Gruppen oder Individuen sollen ohne Gewalt ausgetragen werden. Keine Regierung darf Akte des Völkermordes oder des Terrorismus tolerieren oder sich daran beteiligen, noch darf sie Frauen, Kinder oder irgendwelche andere zivile Personen als Mittler zur Kriegführung missbrauchen. Jeder Bürger und öffentliche Verantwortungsträger hat die Pflicht, auf friedliche, gewaltfreie Weise zu handeln.
Artikel 7
Jede Person ist unendlich kostbar und muss unbedingt geschützt werden. Schutz verlangen auch die Tiere und die natürliche Umwelt. Alle Menschen haben die Pflicht, Luft, Wasser und Boden um der gegenwärtigen Bewohner und der zukünftigen Generationen willen zu schützen.
Gerechtigkeit und Solidarität
Artikel 8
Jede Person hat die Pflicht, sicht integer, ehrlich und fair zu verhalten. Keine Person oder Gruppe soll irgendeine andere Person oder Gruppe ihres Besitzes berauben oder ihn willkürlich wegnehmen.
Artikel 9
Alle Menschen, denen die notwendigen Mittel gegeben sind, haben die Pflicht, ernsthafte Anstrengungen zu unternehmen, um Armut, Unterernährung, Unwissenheit und Ungleichheit zu überwinden. Sie sollen überall auf der Welt eine nachhaltige Entwicklung fördern, um für alle Menschen Würde, Freiheit, Sicherheit und Gerechtigkeit zu gewährleisten.
Artikel 10
Alle Menschen haben die Pflicht, ihre Fähigkeiten durch Fleiß und Anstrengung zu entwickeln; sie sollen gleichen Zugang zu Ausbildung und sinnvoller Arbeit haben. Jeder soll den Bedürftigen, Benachteiligten, Behinderten und den Opfern von Diskriminierung Unterstützung zukommen lassen.
Artikel 11
Alles Eigentum und aller Reichtum müssen in Übereinstimmung mit der Gerechtigkeit und zum Fortschritt der Menschheit verantwortungsvoll verwendet werden. Wirtschaftliche und politische Macht darf nicht als Mittel zur Herrschaft eingesetzt werden, sondern im Dienst wirtschaftlicher Gerechtigkeit und sozialer Ordnung.
Wahrhaftigkeit und Toleranz
Artikel 12
Jeder Mensch hat die Pflicht, wahrhaftig zu reden und zu handeln. Niemand, wie hoch oder mächtig auch immer, darf lügen. Das Recht auf Privatsphäre muss respektiert werden. Niemand ist verpflichtet, die volle Wahrheit jedem zu jeder Zeit zu sagen.
Artikel 13
Keine Politiker, Beamte, Wirtschaftsführer, Wissenschaftler, Schriftsteller oder Künstler sind von allgemeinen ethischen Mastäben entbunden, noch sind es Ärzte, Juristen und andere Berufe, die Klienten gegenüber besondere Pflichten haben. Berufsspezifische oder andersartige Ethikkodizes sollen den Vorrang allgemeiner Mastäbe wie etwa Wahrhaftigkeit und Fairness widerspiegeln.
Artikel 14
Die Freiheit der Medien, die Öffentlichkeit zu informieren und gesellschaftliche Einrichtungen wie Regierungsmaßnahmen zu kritisieren - was für eine gerechte Gesellschaft wesentlich ist -, muss mit Verantwortung und Umsicht gebraucht werden. Die Freiheit der Medien bringt eine besondere Verantwortung für genaue und wahrheitsgemäße Berichterstattung mit sich. Sensationsberichte, welche die menschliche Person oder die Würde erniedrigen, müssen stets vermieden werden.
Artikel 15
Während Religionsfreiheit garantiert sein muss, haben die Repräsentanten der Religionen eine besondere Pflicht, Äußerungen von Vorurteilen und diskriminierende Handlungen gegenüber Andersgläubigen zu vermeiden. Sie sollen Hass, Fanatismus oder Glaubenskriege weder anstiften noch legitimieren, vielmehr sollen sie Toleranz und gegenseitige Achtung unter allen Menschen fördern.
Gegenseitige Achtung und Partnerschaft
Artikel 16
Alle Männer und alle Frauen haben die Pflicht, einander Achtung und Verständnis in ihrer Partnerschaft zu zeigen. Niemand soll eine andere Person sexueller Ausbeutung oder Abhängigkeit unterwerfen. Vielmehr sollen Geschlechtspartner die Verantwortung für die Sorge um das Wohlergehen des anderen wahrnehmen.
Artikel 17
Die Ehe erfordert - bei allen kulturellen und religiösen Verschiedenheiten - Liebe, Treue und Vergebung, und sie soll zum Ziel haben, Sicherheit und gegenseitige Unterstützung zu garantieren.
Artikel 18
Vernünftige Familienplanung ist die Verantwortung eines jeden Paares. Die Beziehung zwischen Eltern und Kindern soll gegenseitige Liebe, Achtung, Wertschätzung und Sorge widerspiegeln. Weder Eltern noch andere Erwachsene sollen Kinder ausbeuten, missbrauchen oder misshandeln.
Schluss Artikel 19
Keine Bestimmung dieser Erklärung darf so ausgelegt werden, dass sich daraus für den Staat, eine Gruppe oder eine Person irgendein Recht ergibt, eine Tätigkeit auszuüben oder eine Handlung vorzunehmen, welche auf die Vernichtung der in dieser Erklärung und der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte von 1948 angeführten Pflichten, Rechte und Freiheiten abzielen.
Die Erklärung wurde unterzeichnet von den Mitgliedern des Inter Action Council:
Helmut Schmidt (Ehrenvorsitzender), Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland a.D.
Malcolm Fraser (Vorsitzender), Premierminister von Australien a.D.
Andries A.M. van Agt, Premierminister der Niederlande a.D.
Anand Panyarachun, Premierminister von Thailand a.D.
Oscar Arias Sanchez, Präsident von Costa Rica a.D.
Lord Callaghan of Cardiff, Premierminister von Grossbritanien a.D.
Jimmy Carter, Präsident der USA a.D.
Miguel de la Madrid Hurtado, Präsident von Mexiko a.D.
Kurt Furgler, Bundespräsident der Schweiz a.D.
Valery Giscard d'Estaing, Staatspräsident von Frankreich a.D.
Felipe Gonzalez Marquez, Premierminister von Spanien, a.D.
Michail Gorbatschow, Staatspräsident der UdSSR a.D.
Salim al-Hoss, Premierminister des Libanon a.D.
Kenneth Kaunda, Präsident von Zambia a.D.
Lee Kuan Yew, Premierminister von Singapur a.D.
Küchi Miyazawa, Premierminister von Japan a.D.
Misael Pastrane Borrero, Präsident von Kolumbien a.D.
Shimon Peres, Premierminister von Israel a.D.
Maria de Lourdes Pintasilgo, Premierministerin von Portugal a.D.
Jose Sarney, Präsident von Brasilien a.D.
Shin Hyon Hwak, Premierminister von Korea a.D.
Kalevi Sorsa, Premierminister von Finnland a.D.
Pierre Elliott Trudeau, Premierminister von Kanada a.D.
Ola Ullsten, Premierminister von Schweden a.D.
George Vassiliou, Präsident von Zypern a.D.
Franz Vranitzky, Bundeskanzler von Östreich a.D.
Die Erklärung wurde am 1. September 1997 dem Generalsekretär der Vereinten Nationen, Kofi Annan, zugestellt. Sie trägt im englischen Original den Titel: Universal Declaration of Human Responsibilities. In der deutschen Übersetzung hat Herr Schmidt das Wort "Pflichten" gewählt. Er meint, dass möglicherweise die deutschen Worte "Verantwortung" oder "Verantwortlichkeit" dem Original eher gerecht würden; es zeigt sich hier der enge innere Zusammenhang von Verantwortung und Pflicht.
---> Das InterAction Council (kurz IAC) ist eine 1983 vom zwischenzeitlich verstorbenen japanischen Premierminister Takeo Fukuda gegründete lose Verbindung früherer Staats- und Regierungschefs. Nach den Angaben von Loki Schmidt haben sich Takeo Fukuda und der deutsche Ex-Bundeskanzler Helmut Schmidt das InterAction Council zusammen ausgedacht und geplant (Quelle: Wikipedia)