Das Kräutlein treibt ein rundes Blatt
Wie keines ringsherum es hat.
Mit zierlich eingekerbtem Rand
Ist für den Tau es angespannt,
Recht als ein Schälchen hingestellt,
in welches Perl`auf Perle fällt.
So hebt es auf des Himmels tau,
der niedersinkt auf Flur und Au`,
Manch Elflein gegen Morgen kommt,
das dürstet, dem zu trinken frommt,
Schöpft aus dem Schüsselchen und spricht:
Ein bessres Labsal gibt es nicht


Johannes Trojan




Hier stellt sich ein Pflänzchen vor, das man überall auf der nördlichen Erdhalbkugel finden kann.

Die Liste der Volkstümlichen Namen ist Lang und umfasst schon einen guten Teil seines Rufes: das Alchemistenkraut, Aller Frauen Heil, Frauenhut, Frauenhaarmantel, Frauenhilf, Frauenrock, Frauentrost, Frauenwurzel, Frauenmantel, Gänsefuß, Gewittergras, Hergottsmäntelein, Herbstmantel, Himmelstau, Löwenfußkraut, Liebfrauenmantel, Mantelkraut, Marienblümli, Marienkraut, Marienmantel, Muttergottesmantel, Perlkraut, Regendachl, Regendächle, Sintau, Synnaw, Sonnenthau, Taubecher, Taublatt, Taufänger, Taumantel, Taurosenkraut, Taubecherl, Tauschüsserl, Tränenschön, Unser Frowen Mantel, Wasserträger, Weiberkittel, oder Wiesensinau

Erste schriftliche Zeugnisse finden sich durch Hildegard von Bingen, die den Frauenmantel gegen Kehlgeschwüre empfahl.
Und Tabernaemontanus - Professor für Medizin und Botanik des 16. Jahrhunderts - rät: "Dieses Kraut in Regenwasser, oder aber Löschwasser, darin die Schmied das glühende Eisen ablöschen, gesotten und mit demselbigen Wasser die heimlichen Örter der Weiber gewaschen, dringet es dieselbigen zusammen als wenn sie Jungfrauen werend."

Später gab der Frauenmantel, der seinen Namen von der Form seiner Blätter, die früher mit dem Umhängemantel Marias verglichen wurden, bekam und traditionell bei allen möglichen "Frauenleiden" angewendet wurde, eine ideale "Marienblume" ab. Er „pflanzt sich, ganz im Sinne der unbefleckten Empfängnis, nur eingeschlechtlich fort“ .
Und weil die Alchemilla das Wasser aus dem Boden aufnimmt, es reinigt und schließlich wieder an den Himmel abgibt, wollten die Christen im „Himmelstau“ sogar den Läuterungsprozeß der Seele erblicken.

Der wissenschaftliche Namen Alchemilla leitet sich von Alchemie ab. Dies beruht darauf, dass die mittelalterlichen Alchimisten sich vom kristallklaren Guttationstropfen inspiriert fühlten - waren sie doch von der Pflanze gefiltertes und verfeinertes Wasser, also eine Art natürliches Destillat. Sie verwendeten den „Sonnenthau“ zur Bereitung des „Steins der Weisen“, jener geheimnisumwobenen Substanz, die alle unedlen Metalle in Gold und jede Krankheit in Gesundheit verwandeln soll.

Bei den Germanen war der Frauenmantel eine heilige Pflanze. Sie galt Freya, der Göttin der Liebe und der Fruchtbarkeit, heilig und wurde von den heilkundigen Frauen bei abnehmendem Mond gesammelt. Unter anderem um die Blutflüsse der Frauen zu stillen und Wunden zu heilen.
Das sich in den Blättern sammelnde Wasser, soll Eisen härten und die Haut reinigen und festigen. Das Kraut bei eitrigen Wunden, Geschwüren, Menstruationsbeschwerden, Wechseljahrbeschwerden, Kopfschmerzen, Nierenschwäche, Nierensteinen, Blähungen, Durchfall, Ödeme, Lidrandentzündungen und Mund- und Rachenentzündungen helfen. Die getrockneten Blüten, zu Tee aufgegossen, lindern Unterleibskrämpfe.

Im Alpenraum wird das Kraut auch heute noch verzehrt, weil die darin enthaltenen Phytosterine die Potenz erhalten.

Der Frauenmantel steht für die Bejahung der weiblichen Rhythmen und des Frauseins.
Er wirkt kühlend, somit gleicht sie körperlich und seelisch überschießenden Wärmeprozesse aus.
Auf der seelischen Ebene stärkt die Urtinktur den Mut zur Weiblichkeit, eine zu starke oder zu schwache Betonung des Frauseins wird ausgeglichen.
Der Frauenmantel hat relativ unscheinbare Blüten, bei denen die Bestäubung oft ausbleibt, trotzdem entwickeln sich Samen und zwar auf Grund einer „Jungfernzeugung“, einer eingeschlechtlichen Fortpflanzung, vielleicht ein Grund, daß Frauenmantel einen starken Impuls auf die weiblichen Fortpflanzungsorgane ausüben kann.

Druiden sollen das Pflanzenwasser zur rituellen Reinigung bei kultischen Handlungen verwendet haben. Und weil das Kraut gegen Blitzeinschläge schützen soll, wurden geflochtene Kränze an Fenstern, Türen und Dachfirsten angebracht.