Vor alter, alter Zeit zog es einen christlichen König von England, mit seinem Sohne eine Pilgerreise nach Rom zu machen, um die ewige Stadt zu sehen, an den Gräbern der beiden Apostelfürsten zu beten und die Katakomben, die Ruhestätte der hl. Märthyrer, zu besuchen. Er schiffte daher über das Meer und vollendete dann unter tausend Beschwernissen, demütig und von allen unerkannt, wie ein armer Mann seine Wallfahrt zu Fuße. Nachdem er die Herrlichkeiten Roms bewundert, wollte er auch in die Totenstadt niedersteigen, und wählte sich zum Führer einen Mann, den er für einen frommen Christen hielt, der aber ein boshafter und gottloser Heide war und schon manchen Diener des Heilandes durch sein gleißnerisches Wesen ins Verderben gelockt hatte. Ahnungslos stieg der König mit seinem Söhnchen in das Labyrinth von Grabkammern und Gängen hinunter und verrichtete seine Andacht zu Füßen der Christusbekenner. Plötzlich aber löschte der treulose Führer seine Leuchte aus und entfloh; denn er kannte die Wege und wußte den Ausgang wohl zu finden. Von undurchdringlicher Dunkelheit umfangen und unfähig, solche Bosheit zu fassen, rief der König zuerst nach ihm. Als er aber nur das verhallende Hohngelächter desselben zur Antwort erhielt, da begriff er, dass er und sein Sohn, der sich laut weinend an den Vater schmiegte, dem gräßlichsten Schicksale preisgegeben waren, wenn Gott nicht einschritt. Inbrünstig flehend warf er sich daher auf seine Kniee und bat den Allmächtigen, ihn und sein Kind vor einem so schrecklichen Tode zu bewahren und sie wieder den Ausgang finden zu lassen. Und Gott erhörte sein Gebet. Ein sanftes Glühen und Leuchten erhob sich plötzlich und umstrahlte endlich wie mit Tageshelle das finstere Totengemach. Das Glühen und Leuchten ging von einer hohen Blume aus, die des Königs Söhnlein am Eingange der Katakomben gepflückt und seither achtlos in der Hand gehalten hatte. Nun wußte der König, dass er gerettet war, und unter inbrünstigen Dankgebeten hieß er sein Söhnlein vorangehen. Wirklich fanden sie auch nach kurzer Zeit einen Ausgang. Als aber das Licht der Sonne wieder über ihrem Haupte glühte, erlosch das wunderbare Leuchten der Blume, die seitdem den Namen Königskerze trägt.

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In Indien gilt die Königskerze als eines der wirksamsten Mittel gegen böse Geister und Magie - sie wird über Türen und in Fenster gehängt oder man trägt sie in kleinen Säckchen bei sich. Man sagt auch, dass sie negative Energien und Dämonen bannen soll.

Einer anderen Sage nach soll die Königskerze die Pflanze gewesen sein, mit der sich Ulysses gegen die List der Circe beschützte.

In Bayern wurde dieses Unheil sogar klar benannt: Man war überzeugt, dass derjenige, der eine Königskerze abreißt, vom Blitz erschlagen wird. Schließlich stand die Pflanze unter dem besonderen Schutz der Jungfrau Maria und wird noch heute bei Kirchenfesten vielfach als Schmuck für Altare und bei Prozessionen verwendet.

Vielleicht geht das auf die Schätzung der antiken Römer zurück, die der Ansicht waren, dass man die Königskerze, ähnlich wie die Alraune, nur mit einer speziellen Beschwörungsformel pflücken darf, weil sonst Unheil droht.

Königskerze, beim Wandern am Leib getragen, sollte vor den Angriffen wilder Tiere schützen und dem Träger Mut geben. Das brachte ihr den Beinamen „Unholdkerze“ ein.
Gibt man einige Blätter in die Schuhe, schützt sie vor Erkältungen.
Unters Kopfkissen gelegt sollte die Pflanze böse Träume vertreiben.
Wurde ein Angehöriger schwer krank, so sollte man eine Königskerze nach Sonnenuntergang gegen Osten hin knicken und dabei bitten, sie möge die verlorene Gesundheit wiederbringen.

Schließlich war die Heilkraft der Königskerze schon unseren Vorfahren wohlbekannt.
Der berühmte Arzt Dioskurides (der Griechische Arzt verfasste im 1. Jahrhundert die Materia Medica; die ca. 1000 Arzneimittel und 4740 medizinische Anwendungen beschreibt) behandelte zum Beispiel mit Wurzel und Blatt Durchfall; aber auch bei Magenkrämpfen, Wunden, Geschwüren und Schwellungen setzte er die Kerze ein.
Aristoteles nutze den Samen zum Fischfang; den dieser enthält den Nervenlähmenden Inhaltsstoffes Saponine.
Heilige Hildegard von Bingen verschrieb den schwermütigen Patienten, dass sie Blätter und Blüten, zusammen mit Fleisch, Fisch oder Mehlspeisen gekocht, zu sich nehmen sollten, um wieder ein starkes und freudiges Herz zu bekommen.
Lonicerus (1528 bis 1586, Frankfurter Arzt mit Kräuterwissen) verwendete die Königskerze bei Brustverschleimung, Herzschwäche und Fieber, bei Wunden und Geschwülsten. Als Öl rühmt er ihre Wirkung zur Förderung des Haarwuchses.
In der Volksheilkunde galt die Königskerze als gutes Mittel gegen Krankheiten der Atemwege.

Und weil ihr Stiel gerne als Fackeldocht verwendet wurde, ist diese Königliche Pflanze ein wahrer Lichtbringer.